8.11.15

einen tag vor meinem 18. geburtstag gab meine mutter mich auf.
ich war schon seit längerer zeit verloren, gefangen in einem wachtraum zwischen hoch und tief.
den einen tag verbrachte ich im bett, isoliert, und suchte nach einer passenden brücke, um diesem endlosen zustand, der sich mein leben nannte, ein ende zu machen.
der wassertod hatte mich in seinen bann gezogen, ich war wie besessen von virginia woolf und all den anderen ertrunkenen.
die aussicht auf benzos, die das sterben vereinfachen würden, sorgte dafür, dass ich mich zum therapeuten schleppen ließ.
während ich also über mehrere wochen hinweg immer mal wieder an meinem suizid plante, ging ich zur schule, besuchte freunde, feierte.
zwischendurch gab es immer wieder diese strahlenden momente, in denen ich pläne machte, gar nicht genug vom leben bekam.
an diesen tagen ging es mir gut, ich konnte mich sogar konzentrieren und scherzen.
doch auf jede phase, in der ich kraft schöpfte, folgte eine phase, in der tränen meine sicht erschwerten und meine stimme im hals stecken blieb.
wie eine kleine waage sorgte mein kopf für die balance zwischen gut und schlecht.
das sorgte dafür, dass ich mich langsam damit abgefunden hatte, ein lebensunfähiger mensch zu sein.
mein todesdatum war inzwischen verstrichen, mein geburtstag rückte näher und näher.
zu wenig zeit, um meinen ausgeklügelten plan in die tat um zu setzen.
obwohl ich den tag vor meinem 18. geburtstag mit zugezogenen gardinen und lethargischem blick im bett verbrachte, versuchte ich in mein waagensystemzu vertrauen, so dass ich schon in paar stunden das haus verlassen könnte.
bis meine mutter mich aufgab.
bis sie mir sagte, dass ich mich in den tod treiben würde.
bis sie mir damit signalisierte, dass sie mich ebenfalls als lebensunfähig einstufte und mich in meinem dunklen zimmer sitzen ließ.

8.10.15

ein schlag ins gesicht
nur kurz aus dem fenster gelehnt
diese eisige kälte,
die ich nicht mehr ausmachen kann

die lippen werden blau
während die zähne einen takt schlagen
Unter der erstarrten hülle,
graben sich fingernägel in die augäpfel

zittrige arme ziehen sich hoch
der blick auf den asphalt gerichtet
schon befindet sich der körper im freien fall,
ich bespritze den boden

das orchester hört nicht auf zu spielen
es überströmt mich
eis taut auf,
ich fühle meine finger wieder

auf einmal liege ich auf dem boden
bin wieder gefangen im jetzt
mein leben ein tiefer schlaf,
aus dem ich nicht mehr aufwache

11.6.15

die gardinen zugezogen,
schotte ich mich von allem ab
keine sonne
kein vogelgezwitscher
keine äste, die sanft im wind schaukeln
in meiner dunklen höhle
fühle ich mich wohl
kann ich die kissen durchnässen
mir die fingernägel tief in die wangen bohren
jeden, der sich erkundigt oder helfen möchte
einfach anfauchen,
die zähne gebleckt,
und schon bin ich wieder alleine;
abgeschottet
ertrinke ich in meinen gedanken
während draußen
die sonne scheint
die vögel zwitschern
die äste sanft im wind schaukeln

über mich