Der Geruch von Hafen liegt in der Luft, die Leute schlecken gierig an ihrem Eis.
Zungen umkreisen die braune oder weiße Masse, Zähne schlagen hart auf der Waffel auf.
Frauen mit Ray-Ban Brillen, kurzen Shorts, in Flip Flops oder barfuß, die Männer mit kurz geschnittenen Haaren, oben ohne, mit Badehose, den Arm lässig um die Taille der Freundin gelegt.
Auf's Meer schauend, langsam gehend, sie sind glücklich, fühlen den Sommmer, die Wärme, sie in ihren Adern pocht.
Dort, unten am Wasser, auf den schwarzen Steinen sitzt sie, ein kleines Bäumchen hält die Sonne fern, schützt sie.
Ihr Mund ist ausgetrocknet und allein mit dem Geschmack von metallenem Blut, sowie dem Ziehen in ihrem Rachen, als würde man ihr die Schuld hinein stecken, als würde sie ihr Körpergewicht nach unten drücken.
»Komm schon, jetzt ergebe dich endlich, verliere dich in deinen dunklen Träumen, verdammt, kapituliere!«
Die Beine stecken in einer bunten, karierten Hose, Größe 34, viel zu locker sitzend, die Narben, dick und aufgeqollen wie Schwämme, gucken heraus. Im Schneidersitz hockt sie dort, die bunten Armbänder klimpern zusammen mit ihren Wimpern, wenn sie die Hand ausstreckt, um das Meer in ihre Tasche zu stecken.
Früher, da waren wir oft hier, nicht wahr? Wir saßen zusammen mit dem dicken Labrador am Strand, in der Hand eine Cola, haha, wie der Vater immer schimpfte, wenn wir dieses Zuckerwasser tranken. Das waren lustige Zeiten, nicht wahr? Als Chiko noch lebte und wir dort saßen und auf's Wasser starrten.
Sie schaut zur Seite, mit einem lauten Ächzen setzt sich jemand neben sie.
Nanana, sie war schon immer so unsportlich gewesen, das kam von der Zeit, die sie in ihrer Höhle verbringt. Die Wörter aus den Büchern einatmet, um sie früher oder später aus zu spucken.
»Schon ein Scheißleben, das wir führen?«
Mhm.
»Weist du, mein Problem ist es nicht, ich komm' mit ihr klar, sie findet's echt prima, dass wir Wörter wie Flachwichser oder Beleidigungen wie Geh schon, Saukerl, dich kann man ja zu nichts gebrauchen durch mich gelernt haben.«
Bist du jetzt noch stolz auf dich? Du verbringst dein Leben in einem Saustall, schau doch, wie du aussiehst. Fettiges Haar, abgeknaberte Fingernägel, Jogginghose. Wenn du deine bescheuerten Bücher liest, vergisst du alles um dich herum, sogar das verdammte ESSEN!
»Du bist eine dumme Kuh, die sich nicht einordnen will, immer ihren Willen durchsetzt oder es zumindest versucht. Scher dich sonst wohin, du brauchst dich nicht zu wundern, dass niemand mit dir sprechen will. Das wird mir zu niveauolos hier, ich verpiss mich.«
Und du bist eine verdammte Pseudointellektuelle, die vulgäre Jugendsprache mit schlauen Begriffen in einem Atemzug nennt!
Schon rauscht die von dannen, im Kopf des Mädchens beschwert sie sich zuerst bei den anderen, alle geraten in Aufruhr, wie kann es kommen, dass sie solche Sachen sagen darf. Nur eine hält sich heraus und stellt sich auf die Seite des Mädchens.
Du bist eine Gute, so lange hast du dich um Chiko gekümmert, hast mit mir gespielt, ich kann dir verzeihen. Bitte, bitte, lass mich nicht allein, bitte, lass mich nicht mehr los, bitte sag mir nicht noch einmal, dass ich das hässliche Entlein bin...
Zu viele Leute auf einmal, sogar Knäuel hat sich zu Wort gemeldet.
Als sie sich auf den Heimweg macht, hüpft Cassi mit ihrem Stoffteddy in der Hand an ihr vorbei, währen Knäuel schüchtern mit ihr Schritt hält, die Augen unter dem Vorhang aus Haaren verborgen. Cecile hat ihren Kopf an die Schulter des Mädchens gelegt, es ist ein harmonisches Bild, alle Meinungsverschiedenheiten scheinen vergessen.
Filiz steht am Fenster und beobachtet die Szene mit Argwohn, sie hätte nicht gedacht, dass Cassi so mächtig sein könnte.
"Auf ein Kleinkind mehr oder weniger kommt es nicht an..."
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